Wann immer wir Probleme in den Griff bekommen, fühlen wir uns gut. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um große Probleme (z.B. Arbeitslosigkeit) oder kleine Herausforderungen (z.B. das Zusammenbauen eines Schranks) handelt. Jedes Mal, wenn wir eine Krankheit geheilt, unsere Ängste überwunden, eine finanzielle oder sonst irgend eine Notlage gemeistert haben, werden wir klüger, selbstbewusster, zuversichtlicher und stärker.
„Jedes Problem, das man bewältigt, bringt einen in der Zukunft weiter. Und gibt auch neue Kraft.“ (Steffi Graf)
Wir entwickeln geradezu Bärenkräfte und erkennen, dass unsere persönlichen Grenzen noch lange nicht erreicht sind. Wir sind stolz auf unsere Leistung, unser Selbstwertgefühl steigt, wir haben unser Leben ein Stück schöner gemacht. Und so wird aus jeder vermeintlichen Niederlage ein Sieg. Und ein ganz wichtiger Nebeneffekt davon ist: Unser Glaube, Einfluss auf unser Leben zu haben, etwas bewirken zu können, steigt immer mehr – und das führt zu einer harmonischen Schwingung. In der Psychologie nennt man das Gefühl, Einfluss auf den Lauf der Dinge zu haben, „Selbstwirksamkeitsüberzeugung“. Man sieht seine eigenen Fähigkeiten anhand von klaren positiven Ergebnissen. Dieses Gefühl ist übrigens so schön, dass laut Verhaltensforscher Mihaly Csikszentmihalyi die meisten Menschen lieber ihre Zeit mit Arbeit verbringen, bei der sie ihre Fähigkeiten in Aktion erleben können, als dass sie in ihrer Freizeit passiven Tätigkeiten wie z.B. fernsehen nachgehen. Sehen auch wir unsere Krisen unter diesem Gesichtspunkt und genießen auch wir die schöne Wirkung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung, indem wir uns unserer Krise stellen und sie bestmöglich meistern. Wie sagt ein altbekanntes Sprichwort: „Was uns nicht umbringt, macht uns nur noch stärker.“ Daher empfehle ich, Krisen als etwas zu betrachten, was uns stimuliert und uns entwicklungstechnisch reifen lässt.
„Unter dem größten Druck entsteht der schönste Diamant.“ (Sprichwort und Tatsache)
„Bedeutende Erfolge sind auch die Ergebnisse überwundener Krisen.“ (Hans Arndt)
So sieht’s aus. Oft kann ein nicht zu geringer Leidensdruck der Startschuss für eine neue, viel hilfreichere Lebensgestaltung sein. „Lebens-Schmerzen“ im Zuge schwerer Lebenslagen sind sicherlich der strengste Lehrer im Leben, aber es ist wie beim Zahnarzt: Anfangs ist die Behandlung unangenehm, aber langfristig gesehen profitieren wir davon. Hier eine Geschichte, die uns das deutlich vor Augen führt:
Ein Wissenschaftler beobachtet einen Schmetterling und sah, wie sehr sich dieser abmühte, durch das enge Loch aus dem Kokon zu schlüpfen. Stundenlang kämpfte der Schmetterling, um sich daraus zu befreien. Da bekam der Wissenschaftler Mitleid mit dem Schmetterling, ging in die Küche, holte ein kleines Messer und weitete vorsichtig das Loch im Kokon, damit sich der Schmetterling leichter befreien konnte. Der Schmetterling entschlüpfte sehr schnell und sehr leicht. Doch was der Mann dann sah, erschreckte ihn doch sehr. Der Schmetterling, der da entschlüpfte, war ein Krüppel. Die Flügel waren ganz kurz und er konnte nur flattern, aber nicht richtig fliegen. Da ging der Wissenschaftler zu einem Freund, einem Biologen, und fragte diesen: „Warum sind die Flügel so kurz und warum kann dieser Schmetterling nicht richtig fliegen?“ Der Biologe fragte ihn, was er denn gemacht hätte. Da erzählte der Wissenschaftler dass er dem Schmetterling geholfen hatte, leichter aus dem Kokon zu schlüpfen. „Das war das Schlimmste, was du tun konntest. Denn durch die enge Öffnung ist der Schmetterling gezwungen, sich hindurch zu quetschen. Erst dadurch werden seine Flügel aus dem Körper herausgequetscht und wenn er dann ganz ausgeschlüpft ist, kann er fliegen. Weil du ihm geholfen hast und ihm den Schmerz ersparen wolltest, hast du ihm zwar kurzfristig geholfen, aber langfristig zum Krüppel gemacht.“ Wir brauchen manchmal den Schmerz, um uns entfalten zu können – um der oder die zu sein, die wir sein können. Deshalb ist die Not oft „NOT-wendig“ – sie ist die Entwicklungschance, die wir nutzen können.
Ich bin fest davon überzeugt, dass es tief in uns eine Instanz gibt, deren Job es ist, uns dazu zu bringen, unser volles Potenzial zu nutzen. Und dazu sind manchmal Herausforderungen erforderlich, denen wir lieber aus dem Wege gehen würden. Doch indem wir (trotz des Wunsches nach einem unkomplizierten Leben) solche Wachstumschancen nutzen, kommt uns das zugute.
Dies zeigt uns auch die Geschichte von Bethany Hamilton. Sie gewann bereits im Alter von fünf Jahren ihren ersten Surf-Wettbewerb und war auf dem besten Weg, eine der besten Surferinnen der Welt zu werden. Am 31. Oktober 2003 verlor sie als Dreizehnjährige bei einem Haifischangriff ihren linken Arm. Anfangs war sie am Boden zerstört, doch mit der Zeit fing sie sich wieder und stellte sich ihrer Situation. Kaum drei Wochen nach dem Verlust ihres Armes nahm sie einarmig ihr Surf-Training mit ihrem Vater wieder auf und erhielt 2004 den ESPY-Award für das beste Sportler-Comeback des Jahres, sowie einen Sonderpreis für ihren Mut. Sie schrieb ihre bewegende Geschichte in einem Buch nieder, welches später verfilmt wurde. Heute ist sie tatsächlich Profi-Surferin und hat sich somit ihren Wunschtraum erfüllt. Ihre Kernbotschaft an die Welt lautet:
„Meine Geschichte soll die Leute auf der ganzen Welt dazu inspirieren, dass sie sich ihren Herausforderungen stellen.“
Krisen können das Bewusstsein erweitern
Zusammenfassend lässt sich sagen: Krisen sind nur dann negativ, wenn aus ihnen keine Erkenntnisse gewonnen werden. Es geht nicht darum, die Krise zu erdulden, sondern aus ihr zu lernen, sie zur Selbsterkenntnis zu nutzen. Nur so können wir gestärkt, reifer und glücklicher aus ihr hervorgehen. Das Leben präsentiert uns immer wieder problematische Situationen, die wir mit unserem gegenwärtigen Bewusstsein nicht bewältigen können. Und genau darum geht es bei Krisen: Um einen Bewusstseinswandel, um eine Weiterentwicklung, um inneres Wachstum. Nirgends sonst kann es so schnell zu so großen Veränderungen und einem totalen Umdenken kommen, wie in „stürmischen“ Zeiten. Ein ruhiger Ozean kann schön sein und vor einem stürmischen Ozean mögen wir uns vielleicht fürchten, aber im Gegensatz zum ruhigen Meer können uns die Wellen des stürmischen Meeres an neue, schönere Orte tragen, die wir bei schönem Wetter nie erreicht hätten. Verharren wir nicht in dem Wunsch, immer schönes Wetter haben zu wollen, sondern wünschen wir uns lieber, über uns hinaus zu wachsen, so dass wir mit JEDEM Wetter klar kommen.
„Man sollte nicht um eine leichtere Last beten, sondern um stärkere Schultern.“ (Augustinus)
Der Weg der Einsicht
Und wenn wir „ursachenbewusster“ leben, dann muss es gar nicht erst zu Krisen kommen. Es gibt den Weg der Einsicht und den Weg des Leidens – und beide vermitteln uns Wissen, mit dem wir unser weiteres Leben glücklich(er) gestalten können. Beide Wege bringen uns im Leben voran. Meiner festen Überzeugung nach gehen alle Menschen mehr oder weniger beide Wege im Leben und mit der Zeit immer mehr den Weg der Einsicht. Lernen wir die Lektionen unserer Krisen, lösen sie unser Leiden auf. Das Leiden hat für mich den Sinn, mir die Sinnlosigkeit des Leidens bewusst zu machen. Jedes Leiden ist da, um geheilt zu werden. Irgendwann sind wir bewusstseinstechnisch dann so weit, dass wir in vollkommener Abwesenheit des Leidens zu glücklich machenden Einsichten gelangen. Wählen wir die Einsicht anstelle von Schmerzen.
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Herzlichst,
Deine Dragica